Experteninterview zur PKV mit Tim Bökemeier

„Bei der PKV geht es immer um die Kosten – auch wenn es eigentlich um die Gesundheit gehen sollte“ – Experteninterview mit Tim Bökemeier

„Soll ich mich privat versichern oder in der gesetzlichen Krankenkasse bleiben?“ – jeder, der rein gesetzlich die Wahl hat, steht vor dieser Frage. Die private Krankenversicherung steht dabei in dem Ruf, deutlich bessere Leistungen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug ist jedoch oft von hohen Kosten im Alter die Rede. Wir haben über diese Thematik mit dem PKV-Experten Tim Bökemeier von der pvk-welt.de gesprochen. In diesem Interview erklärt Bökemeier, wann und warum sich die PKV lohnt und warum es wichtig ist, den eigenen Blick öfter von den Kosten auf den Gesundheitsaspekt zu richten.

Im Bild: Herr Bökemeier, Betreiber der PKV-Welt.de

Redaktion: Guten Tag, Herr Bökemeier. Danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Sie beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit der PKV und beraten Interessenten zu dem Thema. Deshalb zum Einstieg die Frage: Warum sollten sich Versicherte für die PKV interessieren?

Tim Bökemeier: Guten Tag und danke für die Einladung. Um gleich auf Ihre Frage zu kommen: Sehr viele Menschen sehen gerade in jungen Jahren vor allem Kostenvorteile bei der PKV. Ich rate jedoch regelmäßig zu einem völlig anderen Blickwinkel. Die wichtigste Frage sollte dabei doch stets lauten: „Welche Krankenversicherung bringt mir die meisten gesundheitlichen Vorteile?“. Schließlich geht es dabei um das Kostbarste, das wir besitzen: unsere Gesundheit.

Und genau hier punktet die private Krankenversicherung. Durch den modularen Aufbau haben Versicherte die Möglichkeit, sich eine sehr leistungsstarke Absicherung aufzubauen. Ein gutes Beispiel ist der Zahnersatz, den die Krankenkassen nur mit einem Festzuschuss zu einer definierten Regelleistung (das medizinisch notwendige Minimum) erstatten. In der PKV lassen sich auch hochwertige Behandlungen wie Brücken oder Implantate bis zu 100% absichern.

Dazu kommen die generellen gesundheitlichen Vorteile: Als privat Versicherte Person können Sie jeden Spezialisten aufsuchen, erhalten die modernsten Vorsorgeuntersuchungen und können die Leistungen an Ihre individuellen Bedürfnisse anpassen.

Redaktion: Das klingt alles nach einer klaren Entscheidung. Doch bedeutet das nicht auch hohe Kosten?

Tim Bökemeier: Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, zunächst auf die Kostenstruktur in der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung einzugehen. Dabei unterscheiden sich die Beitragsberechnungen in beiden Versicherungsarten deutlich:

GKV

In der GKV zahlen Versicherte einen Beitrag, der von der Höhe des eigenen Einkommens abhängt. Aktuell liegt der Beitrag bei 14,6% (Stand: Ende 2023) der beitragspflichtigen Einnahmen. Zusätzlich berechnen die Krankenkassen noch einen Zusatzbeitrag, der durchschnittlich 1,6% beträgt. Da der Gesamtbeitrag nur bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze (2023: 4.987,50 Euro pro Monat) berechnet wird, ergibt sich zusammen mit der Pflegeversicherung ein Höchstbeitrag von 1.007,48 Euro pro Monat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieser Höchstbeitrag im Jahr 2024 auf bis zu 1.049 Euro steigen.

PKV

In der privaten Krankenversicherung berechnet sich der Beitrag individuell. Das bedeutet: Es kommt also auf den einzelnen Versicherten selbst an. Grundsätzlich spielen dabei 5 Faktoren eine wichtige Rolle:

1. Alter der versicherten Person

Hier gilt grundsätzlich: Je jünger, desto besser. Mit dem Alter steigt das Risiko für Erkrankungen, die wiederum zu erhöhten Ausgaben führen. Wer früh einsteigt, erhält fast immer günstigere Beiträge als Einsteiger jenseits des 40. Lebensjahres.

2. Berufliche Situation

Die berufliche Situation ist deshalb wichtig, weil sowohl Angestellte als auch Beamte einen Teil der Kosten vom Arbeitgeber oder Dienstherrn erstattet bekommen. Arbeitgeber zahlen dabei bis zu 50% der PKV-Kosten, maximal jedoch den GKV-Höchstbeitrag für Arbeitgeber (2024: 419,76 Euro für die Krankenversicherung und 87,98 Euro für die Pflegeversicherung pro Monat). Beamte erhalten hingegen eine Beihilfe von ihrem Dienstherrn und müssen oft nur eine kleine Versorgungslücke schließen.

Selbständige müssen ihre Krankenversicherung immer selbst bezahlen. Deshalb tragen sie sowohl in der PKV als auch in der GKV immer den kompletten Beitrag.

3. Gewählte Leistungen

Auch das gewählte Leistungsniveau bestimmt die Höhe der Beiträge in der PKV. Wer beim Zahnersatz beispielsweise nur eine Aufstockung der Festzuschüsse auf eine komplette Absicherung des GKV-Niveaus wählt, zahlt deutlich weniger als Versicherte mit der Premium-Absicherung. Auch die Nutzung von Krankentagegeld hat einen Einfluss auf die Kosten.

4. Gesundheitszustand

Der Gesundheitszustand einer versicherten Person bei Abschluss der PKV ist ebenfalls sehr wichtig. Gerade bei Vorerkrankungen kommt es im Normalfall zu Risikoaufschlägen auf die Prämie. Um den Gesundheitszustand bewerten zu können, führen Versicherer im Vorfeld einer Gesundheitsprüfung durch. Hier müssen Interessenten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantworten.

5. Selbstbeteiligung und Erstattung

Der letzte Einflussfaktor auf die Kosten der PKV stellt die Selbstbeteiligung dar. Viele Versicherungen bieten die Möglichkeit, einen jährlichen Selbstbehalt zu vereinbaren. Das bedeutet: Die Versicherte zahlen aufkommende Gesundheitskosten bis zum vereinbarten Betrag zunächst selbst. Gängige Summen sind hierbei 500 bis 1.000 Euro pro Jahr. Alternativ besteht auch ein prozentuales Modell, bei dem bis zu einer jährlichen Höchstleistung jeweils 10-15% der Krankheitskosten von der versicherten Person getragen werden. Die gesetzliche Höchstgrenze liegt bei 5.000 Euro jährlich. Ein Selbstbehalt kann zu großen Beitragseinsparungen führen, die über die vereinbarte Summe hinausgehen.

Zusätzlich haben Versicherte die Möglichkeit, eine Beitragsrückerstattung zu vereinbaren. Sollten Versicherte in einem Jahr keine Krankheitskosten verursachen, werden bis zu 6 Monatsbeiträge zurückerstattet. Wer sich für genaue Zahlen interessiert, findet hier einige Beispiele und eine Kostenübersicht der PKV.

Redaktion: Was ergibt sich denn genau aus der unterschiedlichen Kostenstruktur bei GKV und PKV?

Tim Bökemeier: Die unterschiedlichen Berechnungsmodelle für Beiträge zeigen eins sehr deutlich: Keine der beiden Versicherungsarten ist zwingend günstiger oder teurer. Es kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an. In der GKV sparen vor allem Versicherte mit relativ niedrigem Einkommen, weil sie auch nur einen geringen Beitrag zahlen müssen und trotzdem die gleichen Leistungen erhalten.

Doch dieser Fall ist oft nur für Solo-Selbständige mit kleinem Einkommen interessant – bei Angestellten steht diese Frage gar nicht im Raum, da sie sowieso erst in die PKV wechseln dürfen, wenn ihr Monatseinkommen die gesetzlich festgelegte Versicherungspflichtgrenze (Stand 2023: 5.550 Euro brutto im Monat) erreicht. Bei diesem Einkommen fällt jedoch bereits der Höchstbetrag von über 1.000 Euro monatlich an.

Wer sich jedoch in jungen Jahren ohne Vorerkrankungen für die PKV entscheidet, zahlt einen deutlich niedrigeren Beitrag – und das bei besseren Gesundheitsleistungen.

Redaktion: In den Medien finden sich häufig Berichte über PKV-Versicherte, die im Alter mit extrem hohen Beiträgen zu kämpfen haben. Ist das der Standardfall?

Tim Bökemeier: Das Problem der hohen PKV-Beiträge im Alter liegt häufig an der Tatsache, dass Altersrückstellungen erst seit dem Jahr 2000 für alle Neuverträge verpflichtend sind. §149 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) legt fest, dass jede PKV eine Altersrückstellung in Höhe von 10% des monatlichen Beitrags erheben muss. Das gilt für Versicherte vom 21. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr. Diese Rückstellung soll die potenziellen Beitragssteigerungen durch höhere Krankheitskosten im Alter abfedern.

Wer im Jahr 2000 eine PKV abgeschlossen hat, ist heute jedoch in vielen Fällen noch nicht im Rentenalter. Somit sind extrem hohe Prämien im Alter vor allem ein Problem von Altverträgen. Aktuelle Versicherungsverträge bringen zum 60. Geburtstag hingegen erst einmal eine Prämiensenkung, weil die Altersrückstellungen dann nicht mehr bezahlt werden müssen. Auch das Krankentagegeld lässt sich spätestens zum Renteneintritt als Leistung ausschließen, was gerade für Selbständige eine weitere Entlastung mit sich bringt.

Haben Versicherte trotzdem mit zu hohen Prämien zu kämpfen, können sie zudem einen Tarifwechsel bei der bisherigen Versicherung prüfen oder das Leistungsportfolio optimieren. Letztlich bestehen heute also viele Optionen, um die Kosten einer PKV im Alter zu senken.

Redaktion: Ist die PKV also immer die bessere Lösung?

Tim Bökemeier: Das lässt sich pauschal so nicht sagen. Wenn allerdings finanziell und rechtlich nichts dagegen spricht, können Versicherte in der PKV oft bessere medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Trotzdem ist es wichtig, immer alle wichtigen Faktoren zu prüfen und in die eigene Entscheidung mit einzubeziehen.

Tobias Friedrich

Über Tobias Friedrich

Tobias Friedrich, 37, begann seine Karriere mit einem Maschinenbaustudium und arbeitete bei einem Automobilhersteller in Stuttgart. Nach einer Umschulung in der Versicherungsbranche ist er seit Januar 2021 geprüfter Fachmann für Versicherungsvermittlung. Er bildet sich ständig weiter und schreibt fundierte Versicherungsfachtexte für Versicherungsriese.de. Seine technische Expertise und analytischen Fähigkeiten machen ihn zu einem kompetenten Ansprechpartner in der Versicherungswelt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar